Studien zu Kompressionsstrümpfen und der Kompressionstherapie

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Werbeversprechen der Hersteller sind kein Indiz für die Wirksamkeit eines Produktes. Das gilt auch und gerade für Medizinprodukte im Allgemeinen und Kompressionsstrümpfe im Besonderen. Wissenschaftliche Studien sind für medizinische Hilfsmittel der beste Beleg für Nutzen und Nachhaltigkeit.

Dabei wird zwischen zwei Untersuchungsformen unterschieden. Die einen betreffen das Produkt selbst, dessen Qualität, Herstellungsprozess und Handhabung. Die anderen konzentrieren sich auf die Wirkerfolg beim Patienten: Wie wirkt sich die Anwendung des Produktes auf die Behandlung und das gewünschte Behandlungsziel aus? Beide Studienziele bedingen verschiedene Herangehensweisen.

Im Laufe der Jahre hat es viele Studien und Untersuchungen zu Wirkung und Nachhaltigkeit von Kompressionsstrümpfen gegeben. Unbestritten ist der rein physikalische Nutzen einer Kompressionstherapie, der die folgenden Punkte umfasst:

  • auf die Venen wird sowohl in Ruhe als auch durch die Muskelbewegung ein Druck ausgeübt, der ihren Querschnitt vermindert
  • dadurch wird der venöse Rückstrom in Richtung Herz gesteigert
  • die sogenannte Muskelpumpe wird gestärkt
  • die Funktion der Venenklappen wird verbessert, oder wiederhergestellt
  • (venöse) Ödeme werden reduziert
  • Gewebeflüssigkeit wird rückresorbiert

Nun geht es darum, den tatsächlichen und gesundheitlichen Erfolg für Patienten messbar und damit anschaulich zu machen. Bei der Studienlage interessant ist, dass Kompressionsstrümpfe bislang fast ausschließlich in standardisierten Tests zwar ‘in vitro’, also im Labor bzw. unter Laborbedingungen, getestet werden, nicht jedoch ‘in vivo’, also am Bein des Patienten. Die wenigen Untersuchungen an Anwendern wurden allesamt unter Idealbedingungen durchgeführt. Hierbei ging es in der Regel um Qualitätsmerkmale und die Einhaltung medizinischer Standards.

Ein echter Test in und aus der Praxis des Patienten fehlt bis heute. Daher werden sich Kunden, auch und gerade in Sachen Passform, Sitz und Kompressionsverhalten, zunächst auf Bewertungen anderer Patienten verlassen. Das ist nicht immer der beste Weg.

Kompressionsstrümpfe – das zeigt das komplizierte Anmessen mit vielen zu berücksichtigenden Parametern – sind ein individuelles, medizinisches Hilfsmittel. Ist ein Patient mit Produkt A überaus zufrieden, kann es sein, dass Patient B mit den Strümpfen überhaupt nicht zurechtkommt. Ebenso kann ein Kompressionsstrumpf der Marke oder Ausführung C für den einen Patienten buchstäblich “untragbar” sein, während ein anderer Patient seit Jahren auf dieses Produkt setzt.

Doch die Wertung von Patienten wurde vor allem in den vergangenen Jahren nicht ganz außer Acht gelassen. Zum Glück, denn letztlich sind sie es, die eine Kompressionstherapie durchführen und medizinische Kompressionsstrümpfe annehmen müssen. Eine Studie an 500 Patienten, die 2016 durchgeführt wurde, zeigte, dass eine deutliche Mehrheit von ihnen die Strümpfe als Hilfsmittel lobte.

Gleichzeitig erfreuten sich Strümpfe mit einer mittleren Kompression (CCL2/KKL2) der besten Akzeptanz. Überraschend war, dass nur jeder zehnte Patient eine Anziehhilfe benötigte oder mitverordnet bekam. Das zeigt, dass das verwendete Material den Anforderungen an Bequemlichkeit beim Anziehen der Kompressionsstrümpfe weitestgehend entspricht. Zudem profitieren Patienten von Weiterentwicklungen bei der Gewebezusammensetzung. Manche Hersteller haben aus anfangs einfachen Kompressionsstrümpfen wahre Hightech-Produkte gemacht. Wichtig für eine nachhaltige Akzeptanz der Kompressionsstrümpfe sei aber auch eine gute Schulung der Patienten, sagen Experten.

Studien zu Kompressionsstrümpfen im Bereich Sport

Hier ist die Studienlage etwas ergiebiger. Aus gutem Grund. Bei Leistungssportlern stehen vor allem finanzielle Interessen der Werbepartner im Hintergrund. Umso mehr sind genau die daran interessiert, durch erlaubte medizinische Hilfsmittel das Höchstmaß aus ihren Leistungsträgern herauszuholen.

Widerlegt wurde die These, Kompressionsstrümpfe würden die sportliche Ausdauer steigern. Und das, ausgerechnet durch eine Studie des Sportartikelherstellers Nike an der Ohio-University in den USA. Untersucht wurden 20 Sportler beim Joggen auf einem Laufband. Grundannahme war der folgende Effekt: Immer, wenn beim Joggen oder Laufen der Fuß auf den Boden trifft, kommt es durch die Vibrationen vor allem in der Wadenmuskulatur zu kleinen Rissen.

Diese Risse beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit des Muskels. Wenn man erreicht, dass der Muskel mikrophysikalisch weniger verletzt wird, könnte sich das positiv auf die Ausdauer auswirken. Kompressionsstrümpfe erschienen in diesem Zusammenhang als geeignete Maßnahme, den Muskel von außen zu stärken und so für weniger Vibrationen zu sorgen.

Tatsächlich zeigte die Studie, dass die kleinen Risse im Muskel durch die Kompression verringert wurden. Das Problem: Die untersuchten Sportler wurden dadurch keinesfalls ausdauernder. Die Kompressionsstrümpfe schützten nicht, wie erhofft, vor einer mehr oder minder rasch auftretenden Ermüdung der Muskulatur.

Die Sportler waren nach dem Laufen ohne Kompressionshilfe genauso erschöpft, wie mit Kompression. Natürlich ist die Studie mit Vorsicht zu bewerten: Eine Untersuchung an gerade einmal 20 Sportlern kann sicher nicht als allgemein gültig angesehen werden. Und doch zeigt der Test, dass nicht jedes Versprechen eines Herstellers für Kompressionsstrümpfe im Sportbereich einfach so akzeptiert werden sollte.

Eine Studie aus Großbritannien veranschaulicht hingegen einen anderen, überaus positiven Effekt von Kompressionsstrümpfen. Und der tritt nicht während, sondern ausgerechnet nach sportlicher Aktivität auf: Kompressionsstrümpfe können erfolgreich gegen Muskelkater wirken. Der abgestufte Druck, auch und gerade auf den Wadenbereich, führt dazu, dass sich die Muskeln nach geleisteter Arbeit, schneller erholen. Das Prinzip ist einfach zu verstehen: Wenn wir uns eine kleine Wunde zuziehen, hilft es, durch sanften aber fortwährenden Druck die Blutung zu stoppen. Ähnlich funktioniert das Prinzip der Kompressionsstrümpfe bei Muskelkater.

Feinste Risse im Muskel sind nicht nur eine Verletzung, sondern führen zu einer kleinen Entzündungsreaktion. Während dieser kommt es zur Bildung von Wundsekret, umgangssprachlich auch Wundwasser genannt. Dieses Wundwasser ist physiologisch wichtig, reinigt es doch die Wunde von Keimen und Fremdkörpern. Der Druck durch die Kompressionsstrümpfe sorgt dafür, dass das Wundsekret schneller wieder abtransportiert wird und sich nicht als Gewebsflüssigkeit festsetzt. Dieser Nutzen ist nach sportlicher Betätigung allerdings nur dann effektiv, wenn die Strümpfe mindestens zwölf Stunden getragen werden.

Kompressionsstrümpfe helfen gegen Muskelkater. Sie sollten dazu jedoch für mindestens zwölf Stunden nach der sportlichen Betätigung getragen werden.

Hilfe bei orthostatischer Hypotonie?

Noch ein Wort zur Wirkung der sogenannten Muskelpumpe. Viele, gerade ältere, Menschen, leiden an einer orthostatischen Hypotonie. Bei diesem Phänomen sackt der systolische und diastolische Blutdruck kurz nach dem Aufstehen aus längerem Liegen ab, teilweise um bis zu 20 mmHg und mehr. Das ist nicht nur unangenehm, sondern birgt ein hohes Verletzungsrisiko, denn Betroffene verlieren das Gleichgewicht und stürzen.

Zwei Ärztinnen der britischen Universität in Newcastle haben untersucht, wie man dem Risiko der orthostatischen Hypotonie am besten begegnen kann. Dazu wurde auch die Wirkung von Kompressionsstrümpfen vor dem Hintergrund des verbesserten Blutflusses in den Beinen untersucht. Teilgenommen haben 25 Seniorinnen und Senioren zwischen 60 und 92 Jahren. Das Ergebnis war überraschend.

Trinken war in diesem Fall die beste – und wohl auch einfachste – Medizin. Immerhin wirkte bei 56 Prozent der Untersuchten ein knapper halber Liter Wasser, innerhalb von fünf Minuten vor dem Aufstehen getrunken, am Nachhaltigsten gegen den unangenehmen Blutdruckabfall. Kompressionsstrümpfe hingegen hatten in diesem Fall keinen nennenswerten Effekt. Was zeigt: Kompressionsstrümpfe sind kein Allheilmittel. Sie haben besondere Indikationen, die stets vom Arzt diagnostiziert werden müssen.

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